Kosmopolitin mit griechischen Wurzeln und Meisterin des Lichts und der Farben, das ist die deutsch-griechische Künstlerin Maria-Marika König. Sie wuchs als Migrantenkind in Hamburg auf und verbrachte später 25 Jahre in Asien – in Tokyo, in Seoul und im indischen Mumbai (dem früheren Bombay). Seit 2017 lebt sie mit Ehemann Frank und ihren drei Kindern wieder in Hamburg.
“Roots with Empty Soil“ (Wurzeln mit leerer Erde) hieß ihre letzte Ausstellung, mit der sie in eindrucksvollen Bildern ihre ständige „Suche nach Erdung“ ausdrückte, wie sie es bildhaft nennt – ihre lebenslange Suche nach dem Ort, an dem sie sich heimisch fühlen kann. Etwas, was sie als Kind mit Migrationshintergrund vermisste.
Die Familie von Maria-Marika König war seit jeher mit Häfen und dem weiten Meer verbunden. Ihre Eltern stammten aus zwei Inseln in der Ägäis, in denen die meisten griechischen Reeder und Schiffskapitäne ihre Wurzeln haben. Aus Hydra der Vater, aus der Kykladeninsel Andros die Mutter. Ihr Vater und ihr Großvater waren Schiffskapitäne. Es war die Zeit, in der die Männer als Seefahrer die Weltmeere bereisten, während die Frauen an Land zurückblieben und allein die Verantwortung für Familie und Haus tragen mussten. Maria-Marika König sagt es so: „Mein Großvater hat meine Mutter zum ersten Mal gesehen, als sie bereits zwei Jahre alt war“.
Ihre Eltern lernten sich in Argentinien, in Buenos Aires, kennen. Dort hatte ihre Mutter ihren späteren Mann zum ersten Mal getroffen, als sie als junge Frau auf dem Schiff mitgereist war, auf dem ihr Vater Kapitän war.
Über das Leben der Ehefrauen der Seefahrer auf Andros hat die preisgekrönte griechische Schriftstellerin Ioanna Karystiani einen spannenden Roman geschrieben: „Kleines England“ heißt er. Er wurde ein Bestseller und ist in vielen Sprachen übersetzt und auch verfilmt worden (die deutsche Ausgabe hat den Titel „Die Frauen von Andros“, und ist im Suhrkamp Verlag erschienen). „Als ich erwachsen war“ – sagt die Künstlerin – „erzählte mir meine Großmutter, in dem Roman und in seiner dramatischen Abhandlung finde sich großteils die Geschichte unserer Familie wieder“.
„Mein Vater legte öfters mit seinem Schiff in Hamburg an und mochte die Stadt und den Hafen. Er heiratete dort meine Mutter und entschied, sich mit seiner Familie als Schiffsmakler in der Hansestadt niederzulassen. Es war die Zeit, zu der der Frachtverkehr mit Griechenland sehr rege war und am Hamburger Hafen mehrere griechische Reedereien Dependancen unterhielten. In Hamburg sind meine Schwester und ich geboren“, erzählt Maria-Marika König.
Marika besuchte eine deutsche Grundschule und den von der griechischen Regierung in Hamburg angebotenen Ergänzungsunterricht für griechische Schulkinder, der nachmittags stattfand. „Zuhause sprachen wir griechisch“, sagt sie. „Mit meiner Schwester sprach ich aber nur Deutsch“.
Ihre Eltern schickten sie auf das altsprachliche Wilhelm-Gymnasium, denn sie wollten, dass sie so viel wie möglich von der griechischen Kultur mitbekomme. „Im Gegensatz zur Grundschule, in der ich viel Mobbing wegen meiner schwarzen Haare und meiner migrantischen Herkunft erlebt habe, hatte ich im Wilhelm-Gymnasium eine schöne Zeit und durfte an der Klassenreise nach Griechenland teilnehmen. Am Wilhelm-Gymnasium machte ich auch das Abitur.“ Da ihre Eltern gegen ein Kunststudium waren, versuchte sie es zuerst in München mit Kunstgeschichte und in Hamburg mit Modedesign, und Architektur. „Alles hat aber bei mir nicht geklappt… es gab für mich keine andere Möglichkeit, als Künstlerin zu sein“, sagt sie heute.
Durch den Beruf ihres Ehemanns Frank König, der als Manager der Fa. ILLIES – des ältesten deutschen Außenhandelshauses – deren Geschäfte und damit deutsche Unternehmen im Ausland vertrat, lebte Maria-Marika König über 25 Jahre in Asien. So sind ihre drei Kinder im Ausland geboren: Die Söhne, Konstantinos und Nikolaos in Tokio, die Tochter Alexia in Seoul. „Die Kinder sprechen neben Deutsch und Englisch auch Griechisch und fühlen sich Griechenland eng verbunden“, erzählt sie.
Durch ihre zahlreichen Reisen und die langen Aufenthalte in verschiedenen Ländern, ist sie mit unterschiedlichen Kulturen in Berührung gekommen, deren Einfluss sie auch in ihrer Kunst verarbeitet. So erlernte sie in Korea das koreanische Blumenarrangement, oder in Japan die Herstellung von selbstgemachtem Papier aus Pulpe, organischen Resten und Blüten. In Japan lernte sie auch die Kunst, gebrochene Keramik mit der kunstvollen „Kintsugi“-Methode zu reparieren und ihr ein neues Leben einzuhauchen, in dem man die Sprünge mit Gold überzieht. „Kintsugi“ basiert auf der japanischen Philosophie des Wabi Sabi („Schönheit in der Unvollkommenheit“) die davon ausgeht, dass es gerade die Einfachheit und Unvollkommenheit eines Gegenstands ist, die ihn schön macht.
In vielen ihrer Bilder verarbeitet König auch Themen, die an ihre griechischen Wurzeln erinnern: 2021 in der Ausstellung „An der Zukunft webend“ („Weaving the Future“), im mittelgriechischem Larissa, hat sie sich mit dem Bevölkerungs-austausch zwischen Griechenland und der Türkei nach der sogenannten „kleinasiatischen Katastrophe“ 1922 auseinandergesetzt. Damals mussten ca. 1,2 Mio. Griechen Kleinasien verlassen und nach Griechenland übersiedeln.
Viele Flüchtlingsfrauen schnitten die Spitzenbordüren aus ihren Bettlaken und nahmen sie in die neue Heimat mit. Eine Erinnerung an die umstrittene alte Tradition der Mitgift, die aus Spitzenbordüren genäht wurde und Voraussetzung für die Eheschließung war. Als Zeichen der Unterdrückung der Frau benutzt heute Maria-Marika König die Spitzenstoffe als Element ihrer Kunst.
„Königs Anliegen in der digitalen Welt“, schreibt Junia Kimmich in der Athener „Griechenlandzeitung“, „ist die Erhaltung traditioneller Handwerkskunst, Nähen und Sticken gehören ebenso dazu wie Radierungen und Keramiken“. König selbst sagt dort: „Ich mache viel Verschiedenes – von figurativer bis zu abstrakter Malerei. Während der Pandemie habe ich eine Druckpresse gekauft, arbeite mit Spitze, Papier, Skulpturen und Keramik“.
Maria-Marika König hat ihre Werke in vielen Ländern und Städten zeigen dürfen, u.a. in Paris, in Athen, in Tirana und in Mumbai, der indischen Großstadt, in der sie als erste ausländische Studentin nach 1947 ihren Bachelor und Master in Malerei und Zeichnen an der „Sir J.J. School of Fine Arts Mumbai“, der bedeutendsten Kunsthochschule Asiens, absolvierte.
Als die Familie König 2003 nach 14 Jahren in Asien für drei Jahre nach Hamburg zurückkehrte und vor ihrem Umzug nach Indien (der 11 Jahre dauern würde), hat sie sich entschieden ein Haus in in der Hansestadt zu kaufen „um endlich irgendwo Wurzeln zu schlagen“, sagt sie heute. Jetzt pendelt sie zwischen Hamburg und Athen, wo sie weiterhin ein Standbein halten wird. Ausstellungen hatte sie bereits nicht nur in Athen, sondern auch im mittelgriechischen Larissa, in Nafplio auf dem Peloponnes und auf der Insel Hydra, dem Geburtsort ihres Vaters. „Auch als naturalisierte Deutsche“ sagt sie, „bleibe ich weiterhin im Herzen eine Griechin“.
(Alle Fotos des Porträts stammen vom Fotoarchiv von Maria-Marika König)
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