Das Institut für Griechische und Lateinische Philologie/Byzantinistik und Neugriechische Philologie der Universität Hamburg lädt in Zusammenarbeit mit der Deutsch-Griechischen Gesellschaft Hamburg (1918) e.V. zu einem Vortrag mit Diskussion ein:
Dr. phil. Athanasios Anastasiadis
Universität Hamburg
Erhart Kästner im Auftrag der Wehrmacht auf Kreta
„Ich habe in den letzten drei Monaten auf Kreta
viel Schönes gesehen und eine gute Zeit gehabt…“
Die Veranstaltung findet im Rahmen der Hamburger Europawochen 2024 statt.
Zeit und Ort: Mittwoch, 15. Mai 2024, 18 bis 20 Uhr,
Von-Melle-Park 6 („Philturm“),
20146 Hamburg, Hörsaal F (im Erdgeschoss, barrierefrei)
– Eintritt frei –
Erhart Kästners Griechenlandbücher sind zur Besatzungszeit entstanden und waren in der Nachkriegszeit lange Zeit Referenzwerke für gebildete Griechenlandliebhaber. Kästner wurde im Juni 1941 auf eigenem Wunsch als Wehrmachtssoldat nach Griechenland versetzt und geriet im Mai 1945 auf Rhodos in britische Kriegsgefangenschaft. Im Januar 1942 genehmigten die deutschen Behörden sein Vorhaben, ein Buch über Griechenland für Wehrmachtsangehörige zu verfassen. Aus seiner Stationierung ist schließlich eine Trilogie hervorgegangen.
Nach der Publikation des Werks Griechenland. Ein Buch aus dem Kriege im Dezember 1942, dessen überarbeitete Fassung unter dem Titel Ölberge, Weinberge. Ein Griechenlandbuch (1953) in der Bundesrepublik zum Bestseller avancierte, bereiste Erhart Kästner von August 1943 bis Mai 1944 die Insel Kreta, um sein literarisches Projekt im Auftrag der Wehrmacht fortzusetzen. Das 1946 publizierte Buch Kreta steht im Mittelpunkt des Vortrags. Als privilegierter Unteroffizier führt Kästner auf Kreta seine Suche nach dem mythisch-zeitlosen Griechenland in bildungsbürgerlich-philhellenischer Tradition weiter. Er beschreibt in ästhetisierendem Duktus zahlreiche historische Stätten sowie Landschaften der Insel und stellt diverse philosophische Reflexionen über Kultur und Natur, Antike und Gegenwart an, während er die repressive Besatzungsrealität ausblendet. Sie war für die kretische Bevölkerung nicht nur mit psychisch-physischem Terror und sinnlosem Morden verbunden, sondern auch mit Zwangsarbeit und wirtschaftlicher Ausbeutung sowie mit Zerstörung und Raub von Kulturgütern.
Im Vortrag werden zum einen exemplarische Beschreibungen seiner Reisestationen (Asomatos, Ampelouzos, Knossos, Gortyn, Phaistos, Archanes) analysiert und kontextualisiert; zum anderen werden Quellen und Zeitzeugenberichte, die sich aus der Perspektive von Opfern und Widerstandskämpfern auf diese Orte beziehen, Kästners Ausführungen gegenübergestellt. Darüber hinaus werden die jeweiligen Stationen mit historischen und zeitgenössischen Fotografien illustriert.