MIT NEUN JAHREN VOM GRIECHISCHEN DORF IN DIE DEUTSCHE GROSSSTADT
Alkiviadis Thomás kam mit neun Jahren nach Deutschland. Er hatte gerade die vierte Klasse der kleinen Grundschule seines Heimatdorfes Agios Vlasios abgeschlossen. Agios Vlasios liegt acht Kilometer vom Hafen Igoumenitsa entfernt, wo die Fähren aus Italien anlegen. Sein Vater Konstantinos war vor Jahren als Gastarbeiter nach Deutschland gekommen. Über Nürnberg landete er damals in Hamburg und fand Arbeit am Hafen. „Es war harte Arbeit für meinen Vater, aber besser als in unserer Region (Epirus), wo die Arbeitsmöglichkeiten rar waren und er immer gezwungen war, auf den Nachbarinseln nach Arbeit zu suchen, um seine sechsköpfige Familie zu ernähren“ erinnert sich Alkiviadis heute.
1970, in Griechenland herrschte das Militär, holte der Vater die Familie nach Hamburg nach: Seine Frau Sophia und die Kinder Alkiviadis, Spyros, Katerina und Gerassimoula. „Wir Kinder waren sehr beeindruckt von den Erzählungen unseres Vaters über Deutschland: Alles sei sehr groß da, erzählte er uns, die Häuser, die Straßen, die Eisenbahnen, die Straßenbahnen. Bis dahin hatten wir weder eine Eisenbahn noch eine Straßenbahn gesehen. Die Straßen auf dem Dorf waren eng und zum größten Teil Schotterwege. In unserer Fantasie sollten wir in ein Traumland kommen.“
DIE ERSTEN SCHWEREN JAHRE IN DEUTSCHLAND
Die erste Zeit in Deutschland war dagegen sehr schwer für die Kinder, die noch kein Deutsch sprachen. Sie wurden am Anfang in eine Kindergartenklasse gesteckt, um ein paar deutsche Wörter zu lernen. „Ich empfand es als Beleidigung, mit neun Jahren in einem Kindergarten zu landen und haute mit den anderen griechischen Kindern immer wieder ab“. Auch später in der Hauptschule zeigte Alkiviadis zuerst wenig Interesse für den Schulunterricht.
Alles änderte sich, als er regelmäßig in die Betreuungsstelle des Diakonischen Werkes für griechische Arbeitnehmer und deren Familien an der Bundesstraße 101 ging. Dort konnte er unter anderem Kindern und Erwachsenen seinen Lieblingssport Karate beibringen und fand wichtige Unterstützung für seinen weiteren Werdegang. Nach der Hauptschule absolvierte er ein Berufsgrundbildungsjahr im Berufsfeld Metall und beendete dieses mit dem Realschulabschluss, um später über den zweiten Bildungsweg studieren zu können. Sein großer Traum war es, Ingenieur zu werden.
„Mit Hilfe des Diakonischen Werkes – wir hatten ja selbst kein Geld für eine Privatschule – besuchte ich eine private Höhere Handelsschule und machte das Fachabitur im kaufmännischen Bereich“, erzählt Alkiviadis Thomas. Für die Fachhochschule musste er jedoch ein technisches Fachabitur haben, um Maschinenbauingenieur zu studieren. Dies holte er erfolgreich in der Schule für Seefahrt und Technik nach und konnte 1982 mit dem Studium an der Fachhochschule am Berliner Tor beginnen.
DER TRAUM VOM INGENIEURSTUDIUM
In dieser Zeit hatte er bereits Erfahrung in einigen technischen Betrieben gesammelt, so zum Beispiel bei Magirus Deutz, wo er auch die Ausbildung zum LKW-Mechaniker absolvierte. Während der Ausbildungszeit trat Alkiviadis der Gewerkschaft IG Metall bei und wurde bald Jugendsprecher. Seinen Lohn lieferte er seinem Vater ab: „So war es damals bei uns. Wie auf dem Dorf in Griechenland. Mein Vater arbeitete hart und für uns war es selbstverständlich, zum Unterhalt der Familie beizutragen. Dass aus mir etwas geworden ist, verdanke ich vor allem meiner Mutter. Sie war keine gebildete Frau, sprach auch wenig Deutsch, sie war aber eine richtige Powerfrau, die mich und meine Geschwister immer zum Lernen gedrängt hatte“.
1986 bekam er sein Diplom an der Fachhochschule Hamburg. In der Zwischenzeit hatte er geheiratet, und sein ältester Sohn Kostas war kurz vor der Diplomübergabe geboren worden.
Nach dem Studium arbeitete Alkiviadis als Planungs- und Konstruktionsingenieur bei verschiedenen Hamburger Firmen und bildete sich ständig weiter. In dieser Zeit nahm er die Chance wahr, sich früh auf CAD – Computer Aided Design (rechnerunterstütztes Konstruieren) weiterzubilden, was seine spätere Laufbahn mitgeprägt hat.
Bis 1998 war er Abteilungsleiter Konstruktion im Bereich Luftfahrt bei der Firma PKI GmbH in Hamburg und startete eine langjährige Kooperation mit Airbus. Später half er bei der Gründung einer Ingenieurbürofirma und arbeitete dort als Bereichsleiter. Er trug erheblich zur deren Ausbau bei, doch die Zeiten hatten sich geändert. Die Franzosen verdrängten sehr viele deutsche Firmen auf dem Gebiet der Luftfahrt vom Markt und bekamen die Oberhand bei Airbus. So kam es, dass diese Firma bald an die Franzosen verkauft werden musste.
DIE GRÜNDUNG DER EIGENEN FIRMA
2010 gründete Alkiviadis Thomas seine eigene Firma, die ALTHOM GmbH in Hamburg, die Projekte auf dem Gebiet der Luftfahrt und der Raumfahrt in mehreren Ländern betreut. ALTHOM spezialisierte sich vor allem auf die technische Dokumentation für die Luftfahrt und erlebte einen schnellen Zuwachs. Bald expandierte sie mit Filialen in Griechenland (ALTHOM Engineering EPE, 2013) und in Polen (ALTHOM Sp., 2017). Seit Jahren arbeitet seine ALTHOM in Griechenland sehr erfolgreich auf dem Gebiet der erneuerbaren Energien, in den Bereichen Forschung und Entwicklung (ein zukunftsweisender Sektor in seinem Heimatland), als auch im Bereich der Luft- und Raumfahrt sowie der Softwareentwicklung.
PRÄSENT IN DER GANZEN WELT
ALTHOM – EIN FAMILIENUNTERNEHMEN
In seiner Firma konnte Alkiviadis auf die Unterstützung seiner beiden Söhne zählen, die bereits als Studenten in der alten Firma beschäftigt waren. Heute ist sein Sohn Kostas (34), der in Hamburg und San Diego BWL studiert hat, Geschäftsführender Partner bei ALTHOM. Wassilis (32) ist Rechtsanwalt und arbeitet in einer Hamburger Anwaltskanzlei, steht aber immer dem Vater bei juristischen Fragen bei.
Von 2016 bis 2019 war Alkiviadis Thomas Erster Vorsitzender der HANSE AEROSPACE e.V., einem Zusammenschluss von mehr als 160 kleinen und mittleren Herstellern und Dienstleistern in der Luft- und Raumfahrtindustrie.
SEIN HERZ SCHLÄGT FÜR DEN VSK BLAU-WEISS ELLAS E.V
Alkiviadis ging gerne ins Fußballstadion, um sich die Spiele anzusehen, spielte aber selbst keinen Fußball: „Ich war glücklich mit Karate“. Als man ihn aber Anfang der 90er Jahre gebeten hatte, dem 1981 gegründeten griechischen Fußballklub in Hamburg „VSK Blau-Weiß Ellas e.V.“ bei der Reorganisation zu helfen, ließ er sich in den Vorstand wählen und übernahm sechs Monate später den Vorsitz.
Als Vereinsvorsitzender investierte er viel Zeit und Kraft, reorganisierte den Verein und baute dessen Aktivitäten aus. Blau-Weiß Ellas wurde Mitglied im Hamburger Sportbund, stieg nach und nach bis in die Bezirksliga auf und entwickelte sich zu einem multinationalen Sportverein, in dem Spieler aus vielen Nationalitäten spielen. Mittlerweile werden dort die Sportarten Fußball (Senioren, Herren, Jugend), Basketball (Herren, Jugend) und Tanzen (alle Altersklassen) angeboten. Die Herren-Basketballmannschaft ist seit ihrer Gründung 2015 jedes Jahr aufgestiegen und spielt zurzeit in der Regionalliga Nord.
Seit Jahren bemüht sich der Vorstand um den Bau eines eigenen Vereinshauses am Sportplatz Memellandallee in Altona, wo der Verein seinen Sitz hat. Seit kurzem hat Alkiviadis endlich die Zuschusszusage des Bezirkes, sodass man bald mit dem Bau beginnen kann.
„Unser Vereinshaus soll ein Treffpunkt nicht nur für Griechen, sondern für Sportinteressierte jeder Herkunft werden. Bereits heute sind unsere Sportgruppen multinational und sollen so bleiben“, betont er.
Alkiviadis lebt heute mit Ehefrau Anna und Tochter Sophia (23, Medizinstudentin) in Hamburg-Othmarschen. „Meiner Frau bin ich unendlich dankbar“ sagt er. „Ohne ihre Liebe, ihre ständige Unterstützung und ihre Geduld hätte ich das alles nicht erreicht“.
pp/Jan2021
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Rainer Scheppelmann
Dr. Virginia Green
Prof. Dr. Günther S. Henrich
Marily Stroux
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