Hellenen und Philhellenen – Daniela und Wolfgang Wehrmeier

Hellenen und Philhellenen – Daniela und Wolfgang Wehrmeier

Zwei Fotokünstler und Designer, zwei Liebhaber der Fotografie und Griechenlands – eine jahrzehntelange Liebe, die auch ihren kürzlich erschienenen, wunder­schönen Bildband „Im Schatten des Olivenbaums – Griechische Sehnsuchtsorte“ durchzieht. 18 Mal haben sie bis heute mit ihren Kameras Kreta und Peloponnes durchreist. Daniela und Wolfgang fuhren mit dem Auto oder wanderten jenseits der Touristenwege, erlebten das Land in seiner Ursprünglich­keit – und begegneten Menschen, die ihnen das Tor zur griechischen Seele öffneten. Vor einigen Monaten stellten sie ihre „fotografischen Impressionen aus dem Land der Götter“ in einer beeindruckenden Ausstellung in ihrem Atelier vor.

„Griechenland zog uns sofort in seinen Bann“ – © Foto: Daniela Wehrmeier

Die erste gemeinsame Reise nach Griechenland

„Meine erste Begegnung mit Griechenland“, erzählt Daniela heute, „war eine Pauschal-Reise mit meinem Mann nach Matala auf Kreta 1994. Wir stellten schnell fest, dass ‚Pauschalreisen‘ nichts für uns waren, doch Griechenland zog uns sofort in seinen Bann. Uns war schnell klar, dass wir hier ‚mehr als Meer‘ finden konnten und auf eigene Faust auf Entdeckungstouren gehen wollten. Da wir die griechische Kultur aber nicht kannten und nicht als ‚aufdringliche Touris‘ stören wollten, führten unsere Wege zunächst in die unberührte Natur, an atemberaubende Orte, zu kleinen unglaublichen Wundern.“

Daniela Wehrmeier in Aktion in einem Olivenhain nahe Gythion auf der Peloponnes -© Foto: Wolfgang Wehrmeier

Die Liebe zur Natur

Daniela Wehmeier (geb. Meichle) ist in Ravensburg geboren und wuchs in einem idyllisch gelegenen Dorf direkt am Bodensee auf. Es zog sie immer hinaus. „Die Liebe zur Natur und zum Wasser wurde mir quasi in die Wiege gelegt. Ihre Schönheit und Vielfältigkeit in Farbe und Form faszinierten mich schon damals und begeistern mich noch immer.“ Aus diesem Interesse für die Natur entwickelte sich schließlich ihre Leidenschaft für die Fotografie. „Auch heute noch finde ich die meisten meiner Fotomotive in der Natur“, sagt sie.

Daniela studierte Kommunikationsdesign an der FH Konstanz und arbeitete ab 1984 als Diplom-Designerin und Art-Direktorin in Hamburger Werbeagenturen. „Nach Beendung meines Studiums als Kommunikations-Designer führte mich mein Beruf in die Agenturwelt Hamburgs, wo ich auch meinen Mann Wolfgang kennenlernte. In dieser Zeit erfolgte in der grafischen Branche die komplette Umstellung auf digitales Arbeiten am Computer. Der Umgang mit Layout- und Bildbearbeitungsprogrammen gehörte also von Anfang an zu meinem Berufsalltag dazu. Mit dem Aufkommen von Digitalkameras eröffnete sich mir dann endlich auch die Möglichkeit, meine eigenen Fotografien digital zu bearbeiten. Und so entwickelte ich schon bald neue, eigenständige Bildwelten durch freie Bild- und Farbkompositionen, Überlagerungen und Reduzierungen.“

Die erste Kamera

Die jugendliche Daniela mit ihrer ersten Kamera – © Foto: privat

Danielas erste Kamera, eine „Ritsch-Ratsch-Klick!“-Agfamatic Pocketkamera, bekam sie mit neun Jahren. Sie war von da an ihr steter Begleiter: Mit 16 kaufte ich mir von meinem ersparten Geld eine Canon A1 – damals furchtbar teuer, aber unbedingt nötig. Sie begleitete mich auch durch das Studium, in dem ich meinen Schwerpunkt auf Fotografie legte. Besonders die Schwarz-Weiß-Fotografie schulte das grafische Auge und ermöglichte unendlich spannende Experimente im Fotolabor. Den Zauber der kleinen Details, die scheinbar unscheinbaren Dinge festzuhalten, zu interpretieren, auch für andere sichtbar zu machen – das reizt mich an meiner fotografischen Arbeit.“

Vom Kürschner zum Grafiker und Fotografen

Wolfgang Wehrmeier – Vom Kürschner zum Grafiker und Fotografen
© Foto: Daniela Wehrmeier

Wolfgang Wehrmeier kam auf Umwegen zu Fotografie und Design: In Braunschweig geboren, ging er in Hamburg zur Schule, um anschließend eine Lehre zum Kürschner im elterlichen Betrieb zu beginnen. Er baute seine Fähigkeiten in Kürschnereien in Nürnberg, Kopenhagen, Frankfurt und Mannheim aus. In Frankfurt hatte er die erste Berührung mit Griechenland: „Während der Gesellenjahre in einer Frankfurter Konfektionsfirma“, erinnert er sich, „arbeitete ich hauptsächlich mit griechischen Kollegen zusammen. Die kamen aus dem kleinen Ort Kastoria im Norden Griechenlands, nahe der albanischen Grenze, dem Nerzzentrum des Landes. Damals kamen viele von ihnen als Gastarbeiter nach Deutschland, meist als Näher*innen. Es herrschte in der Werkstatt ein emsiges Treiben, da alle auf Akkord gearbeitet haben; trotz allem schwang da immer eine Herzenswärme mit. Wenn jemand aus dem Heimaturlaub aus Griechenland wiederkam, wurde man schon morgens sehr frühzeitig zu einer ‚Raki‘-Verkostung, der man nicht entgehen konnte, eingeladen. 1978 reiste ich mit einem Kollegen per Flugzeug und einer eindrucksvollen, abenteuerlichen Autofahrt über unasphaltierte Landstraßen durch die griechischen Berge nach Kastoria zum Einkauf von Nerz-Bodies. Der Empfang war für mich ein einschneidendes Erlebnis: Diese unaufgesetzte Offenheit und Gastfreundschaft hatte ich so noch nicht erlebt.“

Kastoria ist das Nerzzentrum Griechenlands – der Ort liegt am Orestiada-See
© Foto: John Ioannidis / Pixabay

Als Kürschnermeister erhielt Wolfgang Wehrmeier in den folgenden Jahren mehrere Mode-Design-Auszeichnungen für seine Arbeit und wurde Pressesprecher für Modedesign der Kürschner-Innung Südwest, bevor er sich für eine Ausbildung zum Computer-Grafiker am „Institut für Grafik Design“ in Hamburg entschied. Anschließend arbeitete er in Hamburger Werbeagenturen als Mac-Operator, Grafik-Designer und Productioner.

Der junge Wolfgang mit seiner ersten Kamera – © Foto: privat

Die Fotografie entdeckte auch Wolfgang bereits früh und blieb ihr bis heute ein ergebener Diener. „Zu meinem zehnten Geburtstag erkannte mein Vater mein fotografisches Sehen und schenkte mir meine erste Kamera, eine Agfa Isola. Eine zweite, auf die ich sehr stolz war, eine Olympus 35, bekam ich zu meinem 17. Geburtstag. Da fing auch meine Leidenschaft zum fotografischen Experimentieren an. Meine Familie war von meinen Bildern nur bedingt begeistert, fotografierte ich doch selten Personen; mein Interesse bezog sich mehr auf Objekte, die abstrakt, grafisch abzulichten waren. 1991 entflammte das Feuer zur Fotografie in mir erneut, unter anderem für Produktabbildungen, Firmenreportagen, Lifestylefotos und so weiter. Durch die digitale Weiterverarbeitung erschlossen sich neue kreative Gestaltungsfelder im Bereich Werbung, und auch im künstlerischen Gestalten von freien, nicht auftragsbezogenen Fotografiken.“

Motiv aus Wolfgang Wehrmeiers Serie „SOS Hellas“ Fotografik , Griechenland

Die Alte Schule

Die Alte Schule Tiebensee – © Foto: Wolfgang Wehrmeier

Als Anfang der 2000er Jahre die Digitalisierung so weit fortgeschritten war, dass man den Beruf des Fotografen und Designers nicht unbedingt „kunden- oder stadt-nah“ ausüben musste, entschieden sich Daniela und Wolfgang – nach mehreren Jahren in Design- und Werbe-Agenturen und seit 1995 selbständig – aufs Land zu ziehen: „2003 fanden wir unsere neue Heimat in der Alten Schule Tiebensee“, sagt Daniela, „einer ehemaligen Dorfschule mit großem Garten in Dithmarschen, nahe der Nordsee. Hier leben und arbeiten wir inmitten von Kohl-, Getreidefeldern und Windmühlen, lernen und träumen zusammen, bauen Χόρτα, Παντζάρια und Φασολάκια an und organisieren Ausstellungen.“

Die Griechenland-Ausstellung in der Galerie „Alte Schule“ (2020)
© Fotos: Daniela Wehrmeier

Die griechische Gastfreundschaft

Die beiden Fotografen auf der Suche nach Motiven in Griechenland
© Fotos: Daniela und Wolfgang Wehrmeier

„Unsere Entdeckungs-Tagestouren“, erzählt Daniela, „hatten und haben noch immer einen kleinen Radius und eine niedrige Reisegeschwindigkeit. Schließlich will auch der Fahrer jeden Streifzug genießen und stoppen können, wenn er ein interessantes Motiv oder einen aufregenden Ausblick erspäht. Einer dieser Ausflüge führte uns 2011 zu Ostern ins Hinterland von Chania, wo wir ein Schlüsselerlebnis der griechischen Gastfreundschaft erlebten, über welches wir in unserem Buch erzählen“:

„Es ist Ostern 2011. Wir schrauben uns wieder einmal über unzählige Serpentinen hoch in die Weißen Berge. In jedem noch so entlegenen Dorf sitzt am Straßenrand eine Menschengruppe, vergnüglich versammelt um einen reich gedeckten Tisch. Einmal rufen sie uns mit lauten „Ela-Ela“ und stürmisch wedelnder Hand zu sich. Ängstlich und argwöhnisch winken wir ab, doch sie hindern uns an der Durchfahrt. Unsere Gedanken malen schon sorgenvoll einen Überfall, doch stattdessen kommt einer der Männer fröhlich ans Auto und bringt uns Wein, eine Frau eilt ins Haus und kommt mit warmen, frisch gebackenen Käse-Pitas wieder zu uns. Wir sind beschämt: Sie versorgen uns mit einfachen Köstlichkeiten und Gastfreundschaft und wir sind nicht einmal in der Lage, ihnen in ihrer Sprache „Frohe Ostern“ zu wünschen! Dies ist der Moment, in dem wir beschließen, Griechisch zu lernen.“

Eine Taverne in Areopolis auf der Mani: Warten auf die Gäste – © Foto: Daniela Wehrmeier

„Nach nunmehr 18 Besuchen in Griechenland verstehen wir einiges besser: Es ist ein gutes Gefühl zu wissen, dass eine stürmisch wedelnde Hand und ‚Ela-Ela‘-Rufe nicht abweisend gemeint sind, dass früher unverständliche Schilder an geschlossenen Straßengattern nur freundlich ein ‚Wieder-zumachen‘ erbitten und zu welchem Zweck der Straßen-Standstreifen genutzt werden soll. Mit einem mittelmäßigen Grundwortschatz trauen wir uns immer mehr ‚unter die Menschen‘. Seit wir sie nach ihrer Arbeit, ihren Sorgen in der Krise, ihren Familien fragen können, fühlen wir uns nicht mehr so sehr als Touristen, als Fremde. Die Freundlichkeit und Offenheit der Griechen, ihre sympathische Neugier, kombiniert mit ihrem Humor und Stolz – jede Begegnung ist für uns ein wunderbares Erlebnis. Es ist jedes Mal ein bisschen wie Heimkommen.
Heute weiß ich, oder glaube zu wissen, was für mich den Zauber von Griechenland ausmacht: Ich habe in Griechenland mich selbst gefunden!“

Nie mehr Krieg – Ein Projekt von Daniela Wehrmeier

Motiv aus der Serie „Nie mehr Krieg – Οχι πιά πόλεμοι“, Fotografik von Mahnmalen in Griechenland, die an die deutschen Gräueltaten des letzten Krieges erinnern.

„Wandern war für mich früher ein Gräuel, heute liebe ich es“, sagt Daniela. „Nichts lehrt mich so sehr Demut und Bescheidenheit wie eine einsame Wanderung durch die imposante Natur. Als Geschichts-Muffel treibe ich durch dieses Land, in dem schon die Götter lebten, und bin plötzlich fasziniert von ‚alten Steinen‘ und deren Geschichten. Neben alten Kirchen und Kapellen an den verborgensten Orten berühren mich ganz besonders die Gedenkstätten zu den Gräueltaten des letzten Krieges. Ästhetisch kunstvoll und gleichzeitig eindringlich beklemmend ermahnen sie immer wieder ‚Nie mehr Krieg!‘ – Das Leid, das Deutsche vor fast 80 Jahren hier verursacht haben, schmerzt mich immer wieder aufs Neue. Gepaart mit der so warm erlebten Gastfreundschaft der Griechen fühle ich mich zutiefst beschämt. Dieses Gefühl habe ich in dem Fotozyklus ‚Nie mehr Krieg! – Οχι πια πόλεμοι‘ verarbeitet. Ich möchte gerne damit einen künstlerischen Beitrag zur Erinnerung an den Krieg und die Deutsch-Griechische Freundschaft leisten. Darum suche ich für diese Werke einen passenden Ort, wo sie einer großen Öffentlichkeit zugänglich sein können.“ 1

Motiv aus der Serie „Nie mehr Krieg – Οχι πιά πόλεμοι“ – Mahnmal in Kalavryta

Das Buch

„Überall begegnen und faszinieren uns die Olivenbäume“ – Aus dem Fotobildband „Im Schatten des Olivenbaums“, erschienen im WIWLIO-Verlag

Für 2020 hatten Daniela und Wolfgang ein Insel-Hopping in den Kykladen geplant. Dann kam aber Corona und die Reisebeschränkungen. Statt auf Tinos, Delos oder Milos, saßen sie ganze Abende sehnsuchtsvoll über den Griechenlandbildern in ihren Archiven: „Ob auf Kreta, der Peloponnes, Korfu oder dem Festland – von jeder Reise bringen wir nicht nur Olivenöl, Wein und wunderschöne Steine mit nach Hause, sondern auch neue Erlebnisse, Sichtweisen und Fotografien. Wir erkunden das Land mit unseren Kameras über Hoppelpisten und Ziegenpfade jenseits der Touristen-Zentren, im ruhigen und grünen Frühjahr oder im sanften warmen Spätherbst. Überall begegnen und faszinieren uns die Olivenbäume. Ob junge Plantagen oder Jahrhunderte alte Giganten, ob wild oder kultiviert – jeder Baum ist faszinierend schön und gleichzeitig magisch geheimnisvoll.“

Fotobildband im WIWLIO-Verlag über Griechenland und den Olivenbaum, 152 Seiten, 21×30 cm, Hardcover

2018 bot sich ihnen auf Kreta die Möglichkeit, die Olivenernte zu begleiten und während der Ölproduktion in einer Bio-Ölmühle und in einigen konventionellen Olivenölmühlen zu fotografieren. Nach ihrer Rückkehr überlegten sie sich, darüber ein Buch zu machen.

„Im Corona-Lockdown war endlich die Zeit gekommen für unser Herzensprojekt: Aus dem informativen Foto-Bildband über die Olivenernte und -ölproduktion wurde eine umfangreiche stimmungsvolle Hommage an Griechenland, den Olivenbaum und die Menschen, denen wir auf unseren Reisen begegnet sind.“

Aus dem Fotobildband im WIWLIO-Verlag über Griechenland und den Olivenbaum

„Auf 152 Seiten zeigen wir unterschiedlichste Baumportraits, nehmen den Leser mit in die mühevolle Olivenernte und die umtriebigen Ölmühlen“, fügt Wolfgang hinzu. „Darüber hinaus wollen wir die Magie Griechenlands spürbar und sichtbar machen, in stimmungsvoll eingefangenen Bildern des griechischen Alltagslebens wie auch der charakteristischen Natur zwischen den kargen Bergwelten und dem tiefblauen Meer – und durch alles hindurch scheint das mediterrane Licht. Begleitend zu den 270 Fotografien haben wir philosophische Zitate ausgewählt und kurze persönliche Wortbeiträge erstellt, die unsere Gedanken, Gefühle und den Einblick in diese faszinierende Welt vertiefen.“

Raki-Destillationsanlage auf Kreta – © Foto: Wolfgang Wehrmeier

„Für all jene, die ebenso wie wir vom Fernweh gequält werden, soll dieses Buch Freude und Trost und eine Reise für die Augen und die Seele durch das Sehnsuchtsland Griechenland sein. Wir wünschen uns auch, dass wir damit einen kleinen Beitrag zu mehr gegenseitigem Verständnis und zur deutsch-griechischen Freundschaft leisten können“, betont Daniela.

„…durch alles hindurch scheint das mediterrane Licht…“ – © Foto: Daniela Wehrmeier

1 Daniela freut sich über Hinweise oder Kontakte zu möglichen Ausstellungs- oder Präsentations-Orten. Kontakt unter: daniela.wehrmeier@wehrmeier-design.de
pp/Juni2021

Weiterführende Links

In der Reihe „Hellenen und Philhellenen“ sind bereits folgende Porträts erschienen:
Rainer Scheppelmann
Dr. Virginia Green
Prof. Dr. Stephan Henrich
Marily Stroux
Alkiviadis Thomas
Gerhard Folkerts

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  1. Pingback: Hellenen und Philhellenen – Dr. Constantin Gröhn – Deutsch-Griechische Gesellschaft Hamburg

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