„Erinnerungen an die Okkupation Griechenlands“ – Vorstellung des Projekts in Hamburg

„Erinnerungen an die Okkupation Griechenlands“ – Vorstellung des Projekts in Hamburg

Plakat DGG

Das Ausbleiben einer Auseinandersetzung mit der eigenen Vergangenheit ist nicht immer auf die Seite der Täter beschränkt, sondern manchmal auch auf Seiten der Opfer festzustellen. So führt die fehlende Aufarbeitung der Ereignisse während der deutschen Besetzung Griechenlands in den Jahren 1941-44 zu einer Situation, in der die Einwohner beider Länder sehr wenig über diese Phase ihrer jeweiligen Geschichte wissen.

 

 

Prof. Nicolas Apostolopoulos, Dr. Anna Maria Droumpouki und Damian Thönges stellen ein kurzes Video an den Anfang ihrer Präsentation des Projekts „Erinnerungen an die Okkupation in Griechenland“ am 26.02.2020 in der Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg. Es zeigt eine vielleicht nicht repräsentative, aber exemplarische Umfrage mit deutschen und griechischen Passanten. Die meisten der Angesprochenen wissen mit der Frage nach der deutschen Besatzung Griechenlands wenig anzufangen – besser kann die Motivation für ein solches Projekt kaum veranschaulicht werden.

Hier können Sie das Einführungsvideo abspielen:

 

Die Zuschauer und Gäste erfahren viel an diesem Abend. Viel über das Projekt, seine Hintergründe und seine Entstehungsgeschichte, über das bisher Erreichte und auch viel über das, was als nächstes kommen wird.

Prof. Apostolopoulos
Prof. Dr. Apostolopoulos

In seiner Einführung schildert Prof. Apostolopoulos Beweggründe und Ziele des Projekts, auf das beide Länder sehr lange haben warten müssen. 93 Zeitzeugen wurden gefunden und bekamen die Gelegenheit, gegen Ende ihres Lebens über eben dieses Leben in Interviews zu sprechen und nachfolgenden Generationen auf diese Weise etwas zu hinterlassen, das ohne das Projekt unwiederbringlich verloren wäre.

 

> Zur Präsentation von Prof. Apostolopoulos

 

Das Online-Archiv

Dr. Droumpouki
Dr. Anna Maria Droumpouki

Frau Dr. Droumpouki stellt das Archiv, die Webseite und die Nutzungsmöglichkeiten vor. Sie erzählt mit großer Leidenschaft von ihren Begegnungen mit den interviewten Zeitzeuginnen und Zeitzeugen und betont, dass im Grunde jedes der Interviews auf seine Weise einzigartig war. Über viele hat sie Besonderes zu berichten.  

Andere Interviewte zeigten eine prinzipielle Problematik der Methodik auf; nämlich dann, wenn ihre Erinnerungen den objektiven geschichtlichen Tatsachen widersprachen. Man musste im Projekt auch einen Weg finden, solche Widersprüche aufzuzeigen, ohne die Zeitzeugen zu kompromittieren.

Das Ergebnis der jahrelangen Arbeit ist nun ein Online-Video-Archiv mit wissenschaftlich aufgearbeiteten Gesprächen mit mehr als 90 Zeitzeuginnen und Zeitzeugen, das Historikern, Lehrern, Schülern und anderen Interessierten zur Verfügung steht. Dazu gehören auch die Transkripte und Übersetzungen der Interviews, beide online durchsuchbar, ca. 1300 historische und aktuelle Fotos sowie ein 3000 Einträge umfassender Thesaurus und schließlich eine Anwendung zur redaktionellen Verwaltung des Archivs.

 

> Das digitale Zeitzeugenarchiv

 

 

 

Publikum
Das sehr interessierte und engagierte Publikum im Vortragssaal

Die Bildungsplattform

Als dritter Vortragender berichtet Damian Thönges über eine auf dem Archiv basierende digitale Bildungsplattform, die aktuell noch am Center für Digitale Systeme der Freien Universität Berlin erstellt wird. Sie stellt den nächsten Entwicklungsschritt des Projekts dar. Einen ersten Eindruck der Plattform und ihrer vielfältigen Funktionalitäten für Schüler und Lehrer kann Herr Thönges bereits vermitteln. So wurden beispielsweise die teilweise mehrstündigen Interviews auf jeweils etwa 25 Min. dauernde Zusammenfassungen verdichtet, damit sie im Unterricht verwendbar sind.

Die Bildungsplattform wurde präsentiert von Damian Thönges

Herr Thönges beschreibt auch die Besonderheiten von Video-Interviews als historische Quelle. Eine Vielzahl von Dimensionen sind zu berücksichtigen, wie der Entstehungskontext des Interviews, die verwendete Sprache, aber auch die Körpersprache, um nur einige wenige zu nennen.

 

> Vorstellung der Bildungsplattform

 

Die Diskussion

In der von Prof. Dr. Ulrich Moennig moderierten Diskussionsrunde stellen sich die Vortragenden den Fragen eines sehr interessierten Publikums. Erörtert wird unter anderem die Frage, inwieweit so subjektive Schilderungen geschichtlicher Ereignisse geeignet seien, bisherige objektive Darstellungen zu ergänzen oder gar zu korrigieren. Frau Dr. Droumpouki ist in ihrer Antwort sehr klar und erinnert an den oben erwähnten Zeitzeugen mit objektiv „falscher“ Erinnerung: Das Archiv stelle eine zusätzliche Quelle für Historiker dar. Valide Erkenntnisse können auch hier erst durch die intensive Beschäftigung mit dieser Quelle erschlossen werden.

Diskussion
Diskussion nach der Präsentation

Eine andere, kontrovers diskutierte Frage betraf die Möglichkeiten, ein solches Lernportal im Unterricht an Hamburger Schulen einzusetzen. Die verpflichtenden Lehrpläne wurden teilweise als starr bewertet, ließen aber nach Ansicht einiger anwesender Gymnasiallehrer durchaus Spielraum, den vorgegeben Rahmen mit neuen Inhalten – und neuen Formen des Lehrens und Lernens – zu füllen.

Hier sehen Sie die vollständige Präsentation des Projektes am 26.2. in Hamburg: http://www.occupation-memories.org/de/aktuelles/Praesentation-Hamburg.html

 

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